Börsen-Unwort 2008: „Leerverkauf“
- Die Makler, Wertpapierhändler und Analysten an der Börse Düsseldorf haben zum 8. Mal das Börsen-Unwort des Jahres gewählt.
20.01.2009 – Der Begriff „Leerverkauf“ wurde mit großer Mehrheit ausgewählt, weil er irreführend ist und ihn die öffentliche Diskussion
zu unrecht negativ gebrandmarkt hat.
Unter einem Leerverkauf versteht man landläufig den Verkauf einer Ware, eines Währungsbetrages oder eines Wertpapiers, das der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt noch nicht besitzt. Das geht natürlich nicht, der Finanzmarkt ist schließlich nicht dümmer als der Wochenmarkt. Jeder Verkäufer
muss das Wertpapier im Depot haben, denn er muss am Kassamarkt binnen zweier Tage seiner Lieferverpflichtung gegenüber dem Käufer nachkommen. Dazu kann sich der Spekulant die Wertpapiere vor dem Verkauf anderswo ausleihen. Er verpflichtet sich dann dazu, ein Leiheentgelt
zu zahlen, die Wertpapiere wieder zurückzugeben und er stellt dem Verleiher Sicherheiten für dieses Geschäft. Der Verkäufer profitiert dann von seinem (Leer)Verkauf, wenn der Preis sinkt und er vor der vereinbarten Rückgabe die geliehenen Wertpapiere billiger am Markt zurück kaufen kann.
Das sind zunächst einmal ganz normale Geschäfte, wie sie in vielfältigster Form am Finanzmarkt schon immer durchgeführt werden. Sie ermöglichen es z.B. Risikopositionen abzusichern oder erwartete Ereignisse zu antizipieren, mithin sorgen sie für mehr Liquidität im Markt. Erfahrene Privatanleger nutzen die Wette auf fallende Kurse mit Put- Optionsscheinen oder Turbo Bear-Scheinen, um ihre Wertpapierpositionen abzusichern. Folglich waren Leerverkäufe bis vor kurzem noch eine ganz normale Finanztransaktion.
Leerverkäufe haben es 2008 (leider) in zwei Bereichen zu echtem Börsenruhm gebracht.
Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hat im Spätsommer 2008 zur Eindämmung der Finanzkrise Leerverkäufe in Finanztiteln verboten. Weltweit folgten 20 Staaten diesem Vorbild und in Deutschland sind Leerverkäufe in 11 Finanzwerte von der BaFin sogar heute noch bis Ende März verboten. Es ist fraglich, ob SEC und BaFin den dramatischen Kursverfall der Finanzwerte damit abgebremst haben und ob diese Maßnahme ein wirkungsvolles Mittel gegen die befürchteten Kollaps-Spekulationen sein kann, zumal die konkrete Überwachung der Einhaltung des Verbotes weitestgehend ungeklärt war und immer noch ist.
In die Börsengeschichte eingehen wird der VW-Fall: Spekulanten haben mit Leerverkäufen auf sinkende VW-Kurse gesetzt und waren wegen ihrer Rückgabeverpflichtung gezwungen, quasi zu jedem Preis VW-Aktien am Markt zu kaufen, um sie ihrem Verleiher zurückzugeben. Hätten sie dies nicht getan, wäre der Verleiher selbst an den Markt gegangen und hätte ihnen die Rechnung präsentiert. In der Folge gab es viel mehr Käufer als Verkäufer, was den Preis der Aktie am 28.10.2008 auf über 1000 Euro schoss und Kapriolen des DAX auslöste. Volkswagen war kurzzeitig der wertvollste Konzern der Welt. Hieran zeigt sich, dass Leerverkäufe ein heißes Spiel sein können – gerade dann, wenn man gegen Marktteilnehmer spielt, die wie im Fall VW möglicherweise einen Informationsvorsprung besitzen. Viele dieser Finanzjongleure haben für ihre Leerverkäufe kräftig „Lehrgeld“ bezahlt und werden in Zukunft vorsichtiger mit diesem Finanzinstrument umgehen.
Für eine grundsätzliche „Verteufelung“ eignen sich Leerverkäufe aber nicht.
Das „Börsenunwort des Jahres“ wird von der Börse Düsseldorf in Anlehnung an die sprachkritische Aktion des Frankfurte Germanisten Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser ermittelt. Zum „Unwort des Jahres“ wählte dessen Jury in diesem Jahr die Formulierung „notleidende Banken“.
Bisherige Börsen-Unwörter:
- 2007: „Subprime“
- 2006: „Börsen-Guru“
- 2005: „Heuschrecken“
- 2004: „Seitwärtsbewegung“
- 2003: „Bester Preis“
- 2002: „Enronitis“
- 2001: „Gewinnwarnung“