DeepSeek: Eine Bedrohung für die Magnificant Seven?

Martin Schilling

Vor rund zwei Wochen kam die überraschende Nachricht, dass das chinesische Unternehmen DeepSeek eine KI-Software erstellt hat, die mit deutlich geringeren Hardware-Anforderungen und zu deutlich geringeren Kosten Ergebnisse liefert, welche mit den bislang führenden KI-Modellen amerikanischer Unternehmen vergleichbar sein sollen. Ist das ein Gamechanger für die weitere KI-Entwicklung und die im Vorjahr stark gestiegenen Aktien aus diesem Segment?

Auch wenn aktuell noch viele Fragen zu DeepSeek nicht vollständig beantwortet sind, kann man auf jeden Fall sagen, dass Innovationen beim Thema KI schneller vorangehen als bislang gedacht. Nur gibt es in diesem Fall keine Produktinnovation, sondern eine Prozessinnovation. Diese Prozessinnovation besteht darin, dass in der „Lernphase“ von KI-Modellen typischerweise mit sehr vielen speziell aufbereiteten, kuratierten Daten gearbeitet wird. Das kostet Geld und bedeutet viel Aufwand. Bei DeepSeek wurden Methoden entwickelt, die hier geringere Anforderungen stellen. Zudem tun sich KI-Modelle schwer, Erkenntnisse zu verallgemeinern. Wenn ein Kind eine Herdplatte anfasst und sich verbrennt, dann wird es in Zukunft auch bei Herdplatten vorsichtig sein, die ganz anders aussehen. Das hat bei KI bisher nicht gut geklappt, daher war der Lernaufwand ganz gewaltig, eben weil es kaum eine Fähigkeit zur Verallgemeinerung gab. Auch das ist bei DeepSeek anders. Dies gelingt mit einem massiven Einsatz von sogenanntem „reinforcement learning“, das KI-Modellen hilft, autonom „vernünftig“ zu lernen und zu agieren. Man könnte sagen, dass dem Modell beigebracht wurde, über das eigene Verhalten zu reflektieren und verschiedene vernünftige Antworten zu evaluieren und gegeneinander abzuwägen. Das alles führt dazu, dass das Programm schneller lernen kann, und das alles mit viel weniger Rechenaufwand. Folge: Man braucht weniger Kapitaleinsatz, weniger Ressourcen, weniger Energie.

Aber ist das nun ein Game-Changer? Eigentlich nicht. Denn es zeigt ja nur, dass bisher vielleicht zu viel Wert auf die Hardware gelegt wurde, aber zu wenig Wert auf die Logik dahinter. Das war schon länger ein Kritikpunkt, denn in der Logik der Modelle hatte sich in den letzten 20 Jahren weniger getan, als viele denken. Die Modelle wurden vor allem besser durch immer mehr Daten und bessere Hardware. Man könnte jetzt aber einen umgekehrten Schluss daraus ziehen. Wenn die bessere Logik von Modellen mit massivem „reinforcement learning“ jetzt mit noch mehr Daten und viel besserer Hardware kombiniert wird, ist der Forschritt im Bereich von KI vielleicht noch viel heftiger als bislang gedacht!

Daher ändert sich nicht grundsätzlich unsere Einschätzung zu KI, aber es zeigt, dass die Entwicklung eher noch dynamischer verlaufen wird. Und dass mehr Wettbewerber mitmischen können. In diesem Umfeld gehen vielleicht die Margen der etablierten KI-Unternehmen etwas nach unten, die Umsätze aufgrund der insgesamt erhöhten Nachfrage aber am Ende vielleicht sogar etwas nach oben. Möglicherweise ist aber jetzt ohnehin der Zeitpunkt gekommen, ein wenig mehr Augenmerk auf Werte jenseits der Magnificant Seven zu werfen. Abschreiben sollte man die großen Werte aber noch lange nicht. Zuletzt ist diese Entwicklung auch ein Hoffnungszeichen für Europa, denn es zeigt, dass man mit guten Ideen und begrenzten Ressourcen trotzdem fast aus dem Nichts heraus eine Bedeutung erlangen kann.

Newsletter vom 12. Februaur 2025

Martin Schilling – Leiter Geschäftsstelle Private Banking Hannover
M.M. Warburg & CO

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