Die Stunde der Apokalyptiker

Vor dem Hintergrund der aktuell wahrlich kritischen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der extrem positiven Entwicklung der Aktienmärkte in den letzten Jahren werden die Stimmen derjenigen immer lauter, die vor einem baldigen scharfen Einbruch warnen. Nicht wenige Analysten rechnen ganz konkret mit einer von den USA und ihrem unberechenbaren Präsidenten ausgelösten heftigen Marktkorrektur.
Obwohl wir ein solches Szenario selbstverständlich nicht ausschließen können – was man nie kann -, sehen wir den damit verbundenen Alarmismus äußerst kritisch. Dies vor allem deshalb, weil damit in der Regel Anlageempfehlungen verbunden sind, welche Anlegerinnen und Anleger dazu bringen, plötzlich auf ihre Intuition zu hören und von einer der wichtigsten Handlungsmaximen für einen langfristigen Anlageerfolg abzuweichen – der Anlagedisziplin.
So wichtig und wertvoll die Intuition in vielen Lebensbereichen sein mag, was Wertpapieranlagen anbelangt, ist sie kein guter Ratgeber. Empirische Fakten sprechen in der Hinsicht eine eindeutige Sprache. Es gibt eine Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, die ohne jeden Zweifel belegen, dass der gezielte Versuch, nur in den besten Börsenphasen investiert zu sein, letztlich eine deutlich schlechtere Wertentwicklung erzielt, als wenn man einfach investiert bleibt. Die Studien hierzu sind Legion und müssen an der Stelle nicht weiter vertieft werden.
In hohem Maße interessant ist es jedoch, welche Besonderheiten der Marktentwicklungen für diese Ergebnisse verantwortlich sind. Es zeigt sich nämlich immer wieder, dass sich gerade in Krisen, also in Phasen, in denen die negativsten Szenarien gezeichnet und die düstersten Aussichten an die Wand gemalt werden, die Aktienmärkte oftmals am stärksten nach oben bewegen. Dies wird durch folgende Grafik deutlich, in der die Aufholbewegungen des MSCI-Weltindexes nach den fünf großen Wirtschafts- bzw. Aktienmarktkrisen der letzten 50 Jahre dargestellt sind.
Bei der Interpretation dieser Grafik sollte man sich vor Augen führen, dass im Verlauf all dieser Krisen die Aktienmarktperspektiven über einen längeren Zeitraum hinweg in den düstersten Farben gemalt wurden. Es war nie so, dass an einem bestimmten Stichtag das Ende der Krise ausgerufen werden konnte und die Märkte anschließend gestiegen sind. Eher war das Gegenteil der Fall: Die dargestellten Markterholungen kamen im Grunde für alle Beteiligten völlig überraschend, sozusagen noch mitten im Sturm.
Hier liegt der tiefere Grund, warum Anlagedisziplin der vielleicht sogar wichtigste Erfolgsfaktor einer Aktienanlage ist: Folgt man seiner Intuition und steigt panikartig aus, versäumt man so gut wie sicher den rechtzeitigen Wiedereinstieg. Wie bei den Profis geht dann auch bei Privatanlegerinnen und Privatanlegern wertvolle Rendite verloren.
Der Grundsatz sollte daher immer lauten: Man wähle eine Aktienquote, die zur eigenen Risikotragfähigkeit passt und bleibe dieser Strategie durch alle Höhen und Tiefen treu. Und vor allem: Man mache seine Anlageentscheidungen weder von aktuellen Marktentwicklungen und -stimmungen noch von irgendwelchen Szenarien und Prognosen abhängig.

Newsletter vom 12. März 2025
Prof. Dr. Stefan May – Leiter Anlagemanagement
Quirin Privatbank AG
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