First Mover und kurze Beine
Seit Wochen wird es erwartet, morgen wird darüber entschieden: Senkt die EZB die Leitzinsen? Es würde eine neue Zinswende einläuten und die europäische Notenbank könnte diesmal der Kopf der Bewegung sein, während sie beim letzten Mal eher hinterherlief. „Too late, too little“, lautete die Kritik, als die EZB im Juni 2022 nach einer mehr als 6-jährigen Nullzinsphase wieder die Bankeinlagen vergütete – die US-Fed hatte bereits ein Vierteljahr früher auf die rasant steigende Inflation reagiert. Insgesamt 10 Zinsschritte in knapp 14 Monaten hievten den Leitzins in der EU auf die seit September geltenden 4,5 Prozent. Nun soll eine Senkung um 25 Basispunkte die erfolgreiche Inflationsbekämpfung der EZB dokumentieren. Ein gewolltes Signal, passend zur Europawahl?
Zwar steht nach dem Inflations-Peak von 10,6 Prozent im Euroraum von Oktober 2022 jetzt seit acht Monaten eine Zwei vor dem Komma, aber der Mai lag mit 2,6 Prozent wieder höher als der April oder März. Diese Zinssenkung scheint ausgemacht, aber ob und wann weitere Schritte folgen bleibt noch unklar. Eine Woche später tagt auch die US-Notenbank, wo – aufgrund der weiter guten Wirtschaftslage – aber keine Maßnahmen erwartet werden.
Unerwartet, und deshalb mit deutlichen Reaktionen in den Charts, waren Wahlausgänge und potenzielle Machtverschiebungen in Indien, Mexiko und Südafrika. Unmittelbar reagierten die Devisenmärkte, aber auch in Länder-ETFs von Mexiko und Indien waren kurzzeitig deutliche Rückschläge zu sehen. Bei politischen Börsen werden ja sprichwörtlich „kurze Beine“ unterstellt und so bleibt die gezeigte Performance aus den letzten drei Jahren eindrucksvoll. Die breiter aufgestellten Emerging-Markets-ETFs waren aufgrund der China-Schwäche im gleichen Zeitraum hingegen rückläufig.
Rückläufig zeigte sich zuletzt auch der DAX nach der Rekordfahrt im starken Monat Mai. Gestern waren Notierungen unter 18.400 Punkten zu sehen, was aber kein Grund zur Sorge sein sollte: Der Abstand zur seit November aufwärts zeigenden 200-Tage-Linie liegt immer noch bei komfortablen 1.300 Punkten.
Zum Newsletter anmeldenNewsletter vom 5. Juni 2024
Thomas Strelow, Börse Düsseldorf